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Unabhängige Faktenprüfung auf Facebook bald Fehlanzeige?

Franziska Oehmer-Pedrazzi

Das zeigt die Forschung zu Mark Zuckerbergs neuen Kurs.

Autor:innen: Franziska Oehmer-Pedrazzi & Stefano Pedrazzi


Meta plant auf seinen Plattformen Facebook und Instagram unabhängige Faktenprüfung abzuschaffen Foto von Glen Carrie auf Unsplash
Meta plant auf seinen Plattformen Facebook und Instagram unabhängige Faktenprüfung abzuschaffen Foto von Glen Carrie auf Unsplash

Mit der Ankündigung, unabhängige Faktenprüfungen (vorerst in den USA) zugunsten eines nutzer:innenbasierten Systems abzuschaffen, hat Mark Zuckerberg, Gründer und CEO von Meta, eine kontroverse Debatte angestossen. Während das Unternehmen diesen Schritt als Förderung der Meinungsfreiheit darstellt, legen Studien nahe, dass die Folgen für die Verbreitung von Falschinformationen und den digitalen Diskurs erheblich sein könnten – auch in der Schweiz.





Zur Wirksamkeit von Faktenchecks: Was die Forschung sagt

Eine aktuelle Studie (van Erkel et al., 2024) mit Teilnehmer:innen aus 16 europäischen Ländern belegt, dass Falschinformationen deutlich weniger geglaubt werden, wenn sie mit einem Faktencheck-Hinweis versehen sind. Faktenchecks wirken also – und zwar auch bei denjenigen, die der Quelle der Falschinformation politisch-ideologisch nahe stehen. In anderen Worten: Selbst wenn Menschen geneigt sind, der Information aufgrund ihrer eigenen Überzeugungen zu vertrauen, sinkt diese Bereitschaft, wenn ein Faktencheck Zweifel an der Wahrheit der Botschaft aufwirft. Die Studie zeigt ausserdem, dass Faktenchecks sowohl durch unabhängige Organisationen als auch durch öffentlich-rechtliche Medien effektiv sind. Besonders unabhängig arbeitende Organisationen erreichen jedoch auch Menschen, die traditionellen Medien gegenüber skeptisch eingestellt sind.


Nutzer:innenbasierte Moderation: Eine Schwachstelle

Auch Mark Zuckerbergs Entscheidung, die Faktenprüfung statt unabhängigen Organisationen den Nutzer:innen selbst zu überlassen, muss aus wissenschaftlicher Sicht skeptisch beurteilt werden:  So zeigt Wu (2023), dass nutzer:innenbasierte Kontroll- und Korrektursysteme häufig ineffektiv sind. Denn den meisten Nutzenden fehlen Zeit, Fachwissen und Motivation, um irreführende Inhalte zuverlässig zu bewerten und zu melden. Zudem werden korrigierende Kommentare von Nutzenden auch von anderen Nutzenden als weniger glaubwürdig wahrgenommen und sind weniger effektiv als korrigierende Kommentare von etablierten Medien (Pedrazzi & Oehmer-Pedrazzi, 2023). Faktenprüfende Informationen von etablierten und unabhängigen Akteur:innen werden damit wahrscheinlicher bei der Meinungs- und Willensbildung berücksichtigt.

Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig professionelle unabhängige Faktenprüfung ist, um die Verbreitung von falschen und irreführenden Informationen einzudämmen – ein Nutzen, den nutzer:innengenerierte Systeme wie Metas „Community Notes“ wahrscheinlich nicht bieten können.


Konsequenzen für die Schweiz

Das hat Konsequenzen für Politik und Gesellschaft – auch in der Schweiz. Denn soziale Medien spielen eine wichtige Rolle im politischen und gesellschaftlichen Diskurs, etwa bei Abstimmungen und Wahlen oder auch bei den Themen Gesundheit, Migration und Krieg. Für viele sind soziale Medien die wichtigste Quelle, um sich zu informieren (Siegen & Schneider, 2024). Ein Rückgang in der Quantität und der Qualität der Faktenprüfung wird sehr wahrscheinlich die Verbreitung von falschen Informationen fördern. Die Meinungs- und Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger kann damit auf falschen oder verzerrten Informationen basieren. Dies kann nicht nur zu Fehlentscheidungen bei Abstimmungen und Wahlen führen, sondern auch das gesellschaftliche Klima polarisieren. Menschen beginnen, sich stärker in ideologische Blasen zurückzuziehen, da sie eher Informationen konsumieren, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen, und gegenteilige Meinungen ablehnen. Diese Polarisierung kann das gesellschaftliche Vertrauen untergraben, Konflikte anheizen und die Fähigkeit zur konstruktiven Diskussion schwächen.

Abzuwarten bleibt, ob Meta auch in Europa und damit der Schweiz zukünftig auf unabhängige Faktenprüfer:innen verzichten möchte.



 

Quellen

Siegen, D., & Schneider, J. (2024). Mediennutzung. Jahrbuch Qualität der Medien, 87-96.


Pedrazzi, S., & Oehmer-Pedrazzi, F. (2023). Chapter 10. Governance of misinformation by public service bots: The potential of automated social networking site accounts operated by public service media for correcting misinformation. In Public Service Media’s Contribution to Society: RIPE@2021 (1st ed., pp. 193–218). https://doi.org/10.48335/9789188855756-10


van Erkel, P. F. A., van Aelst, P., de Vreese, C. H., Hopmann, D. N., Matthes, J., Stanyer, J., & Corbu, N. (2024). When are Fact-Checks Effective? An Experimental Study on the Inclusion of the Misinformation Source and the Source of Fact-Checks in 16 European Countries. Mass Communication and Society, 27(5), 851–876. https://doi.org/10.1080/15205436.2024.2321542


Wu, S. (2023). What Motivates Audiences to Report Fake News?: Uncovering a Framework of Factors That Drive the Community Reporting of Fake News on Social Media. Digital Journalism, 12(6), 790–807. https://doi.org/10.1080/21670811.2023.2243489


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