Warum immer mehr Menschen Nachrichten meiden und welche Folgen damit verbunden sind.
Autor:innen: Franziska Oehmer-Pedrazzi & Stefano Pedrazzi

Wenn man unangenehme Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen möchte, so steckt man dem Volksmund nach, den Kopf in den Sand. In einer Welt, in der sich Kriege und Krisen in Echtzeit überschlagen, in der Faktenprüfung als Meinungskontrolle gilt und geografische Bezeichnungen nach Belieben neu vergeben werden, erscheint dieser Reflex verführerisch – sich einfach zurückziehen und das Weltgeschehen ausblenden.
Die Auswirkungen auf die Demokratie
Diese Nachrichtenvermeidung hat jedoch weitreichende Konsequenzen, insbesondere für demokratische Gesellschaften: Eine informierte Bevölkerung ist essenziell für fundierte politische Entscheidungen und eine lebendige Debattenkultur (Udris et al., 2022). Denn ohne ausreichende Informationen können Bürgerinnen und Bürger ihre Wahlmöglichkeiten nicht vollständig abwägen. Wenn immer mehr Menschen Nachrichten meiden, kann dies auch zu einer verringerten politischen Partizipation führen. Geringere Nachrichtennutzung korreliert zudem auch mit einem geringeren Interesse in Politik und Vertrauen in politische Institutionen (Udris et al. 2022). Zudem stärkt der Konsum von Nachrichten auch die Position von Journalistinnen und Journalisten, die somit aus einer starken Position ihrer Kontrollfunktion nachkommen können. Sinkt der Nachrichtenkonsum, schwächt das auch die Position des Journalismus (Skovsgaard & Andersen, 2022).
Ursachen der Nachrichtenvermeidung
Warum meiden wir Nachrichten? Es gibt meist nicht nur einen Faktor, der zur Nachrichtenmeidung beitragen kann. Eine Ursache wird der Medienberichterstattung selbst zugeschrieben: Medien konzentrieren sich oft auf Krisen, Konflikte und Katastrophen, was bei der Nutzung Angst und Stress hervorrufen kann (Johnston & Davey, 1997). Diese emotionale Belastung kann dazu führen, dass Menschen Nachrichten meiden, um ihr psychisches Wohlbefinden zu schützen (Skovsgaard & Andersen, 2022). Ebenso können Gefühle der Machtlosigkeit dazu führen, dass Menschen Nachrichten über globale oder politische Themen ausblenden, weil sie das Gefühl haben, ohnehin nichts bewirken zu können. Darüber hinaus spielt das Vertrauen in die Medien eine entscheidende Rolle: Zwar geniesst die Schweiz im internationalen Vergleich ein akzeptables Medienvertrauen (Udris et al., 2024): 41 % der Schweizer:innen vertrauen den Nachrichten. Dieser Wert hat in den vergangenen Jahren abgenommen, denn auch hier gibt es wachsende Skepsis gegenüber der Unparteilichkeit und Glaubwürdigkeit von Nachrichtenquellen. Menschen, die die Medien als voreingenommen oder unzuverlässig empfinden, neigen eher dazu, Nachrichten zu meiden.
Doch nicht nur der Nachrichteninhalt selbst, sondern auch die schiere Masse der Nachrichten kann zur bewussten Vermeidung beitragen: Die ständige Verfügbarkeit von Nachrichten über verschiedene Plattformen kann zu einer Überforderung führen. Viele Menschen fühlen sich durch die Menge an Nachrichten erschlagen und ziehen sich daher bewusst zurück (Udris et al., 2024).
Weitere Faktoren sind Zeitmangel und ein Lebensstil, der es schwierig macht, regelmässig Nachrichten zu konsumieren. Oder man wendet sich einfach lieber unterhaltsameren Medieninhalten zu (Skovsgaard & Andersen, 2022). Auch Desinteresse in politische Ereignisse oder Unkenntnis über das politische System trägt zu einer geringen Nachrichtennutzung bei (Edgerly, 2022).
Lösungsansätze: Wie könnte man Nachrichtenmüdigkeit verringern?
Um die zunehmende Nachrichtenvermeidung zu bekämpfen, könnten Nachrichtenmedien ihre Berichterstattung diversifizieren und weniger auf Negativität fokussieren. Forschung zeigt, dass konstruktive und lösungsorientierte Nachrichten das Interesse der Menschen erhöhen und das psychische Wohlbefinden weniger belasten (Overgaard, 2023).
Darüber hinaus könnten Medienformate entwickelt werden, die zeiteffizient sind und Nachrichten in kürzerer, leichter verdaulicher Form präsentieren. Besonders in einer digitalisierten Gesellschaft sind nutzerfreundliche Formate entscheidend, um Menschen wieder an Nachrichteninhalte heranzuführen.
Ein weiterer Ansatz ist die Stärkung des Medienvertrauens durch transparente Berichterstattung und verstärkte Medienkompetenz. Wenn Menschen verstehen, wie Nachrichten entstehen und welche Mechanismen hinter der Berichterstattung stehen, können sie Medieninhalte kritischer, aber auch bewusster konsumieren.
Anstatt sich permanent der Informationsflut auszusetzen oder Nachrichten ganz zu meiden, könnte ein gezielter und zeitlich begrenzter Konsum eine sinnvolle Strategie sein. Die bewusste Entscheidung, sich in bestimmten Zeitfenstern zu informieren und in anderen bewusst Abstand zu nehmen, könnte die mentale Belastung reduzieren, ohne den Informationsfluss komplett abzuschneiden. Es kann also auch nützlich sein, von Zeit zu Zeit den Kopf in den Sand zu stecken.
Quellen
Edgerly, S. (2022). The head and heart of News Avoidance: How attitudes about the news media relate to levels of news consumption. Journalism, 23(9), 1828-1845.
Johnston, W. M., & Davey, G. C. (1997). The psychological impact of negative TV news bulletins: the catastrophizing of personal worries. British journal of psychology, 88(1), 85–91. https://doi.org/10.1111/j.2044-8295.1997.tb02622.x
Overgaard, C. S. B. (2023). Mitigating the consequences of negative news: How constructive journalism enhances self-efficacy and news credibility. Journalism, 24(7), 1424-1441.
Skovsgaard, M., & Andersen, K. (2022). News avoidance. The SAGE encyclopedia of journalism, 1, 1099-1103.
Udris, L., Rivière, M., Fürst, S., & Eisenegger, M. (2024). Reuters Institute Digital News Report 2024: Länderbericht Schweiz.
Udris, L., Schneider, J., & Vogler, D. (2022). Mediennutzung und politische Partizipation. Die Bedeutung von Newsrepertoires bei Volksabstimmungen.
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