Wer schreibt die Spielregeln für Soziale Medien und KI? – Rückblick auf den "Apéro digital"
- Franziska Oehmer-Pedrazzi
- 16. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Autorin: Franziska Oehmer-Pedrazzi

Am selben Tag, an dem der Bundesrat die Entscheidung über eine stärkere Regulierung digitaler Plattformen erneut vertagt, versammelt sich im Rahmen des „Apéro digital“ der Digital Society Initiative (DSI) der Universität Zürich am 16.04.25 eine Expert:innenrunde, um über genau diese Frage zu diskutieren: Wie kann und soll der Einfluss von Social Media und künstlicher Intelligenz auf die öffentliche Debatte reguliert werden?
Unter dem Titel „The Algorithm Resistance – Writing the Rules for Social Media & AI in Public Debates“ diskutierten Alexandra Stark (KI-Expertin und Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission) und Thomas Häussler (Bundesamt für Kommunikation, BAKOM), moderiert von Angela Müller (AlgorithmWatch CH) und Jeannie Schneider (Dezentrum), über ein Thema, das aktueller nicht sein könnte – nicht nur angesichts politischer Untätigkeit, sondern auch im Hinblick auf die demokratischen Herausforderungen unserer digitalisierten Öffentlichkeit.
Zwischen Medienkompetenz und „Civic Literacy“ – die Rolle der Nutzenden
Ein zentraler Tenor der Diskussion: Es braucht Massnahmen auf mehreren Ebenen – und die Nutzenden selbst spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie müssten in die Lage versetzt werden, Quellen kritisch zu hinterfragen und die Logik algorithmisch gesteuerter Plattformen zu verstehen. Dieses Wissen dürfe jedoch nicht nur jungen Menschen vermittelt werden – etwa durch verbindliche Lehrpläne in Schulen –, sondern müsse auch ältere Zielgruppen adressieren.
Angela Müller geht noch einen Schritt weiter und verweist auf die Notwendigkeit von civic literacy – also nicht nur Medien-, sondern auch demokratischer Bildung: ein Verständnis für politische Prozesse, Bürgerrechte und institutionelle Mechanismen, das unabdingbar sei für die verantwortungsvolle Teilhabe an öffentlichen Diskursen. Alexandra Stark ergänzt: Die Nutzenden müssten vom reinen media consumer zum media actor werden – sich also ihres eigenen Gestaltungspotenzials bewusster werden. Das Netz sei nicht nur ein Ort des Konsums, sondern auch des aktiven Mitgestaltens.
Plattformen auch in der Verantwortung
Trotz dieser Appelle an die Nutzer:innen betonten die Diskutierenden: Die Verantwortung dürfe nicht allein auf sie abgewälzt werden. Plattformen müssten ebenso ihre Hausaufgaben machen, so Häussler. Das bedeute: aktiv gegen illegale und schädigende Inhalte vorgehen – nicht nur, wenn es juristisch oder öffentlichkeitswirksam erforderlich ist. Doch in der Realität fehle es oft an echtem Interesse: Diese Plattformen seien money making machines – ihr Geschäftsmodell ist nicht auf das Gemeinwohl, sondern auf Gewinnmaximierung ausgelegt
Rolle des Staates
Was aber tun, wenn Selbstregulierung nicht greift? Für Häussler ist staatliche Regulierung ultima ratio – sie sollte dann eingreifen, wenn andere Mittel scheitern. Bestehende Lücken im Umgang mit illegalen Inhalten auf digitalen Plattformen und vor allem deren Sanktionierung müssten durch ergänzende gesetzliche Regelungen geschlossen werden.
Die Kontrolle darüber dürfe jedoch nicht allein staatlichen Akteuren obliegen: Ein zentrales Anliegen war der Zugang zu Plattformdaten: Forschende müssten die Möglichkeit erhalten, unabhängige Analysen durchzuführen. Nur so könnten evidenzbasierte Aussagen über algorithmische Wirkungen und Debattenverläufe getroffen werden. Wichtig sei dabei auch Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit: Reports müssten öffentlich zugänglich gemacht werden, um die demokratische Kontrolle zu stärken. Denkbar sei, so Alexandra Stark, auch die Schaffung einer unabhängigen Plattform, getragen von verschiedenen Medienanbietern und öffentlichen Akteuren, die geprüfte und vertrauenswürdige Informationen bereitstellt – als Gegengewicht zur algorithmischen Fragmentierung von Öffentlichkeit.
Mehr Infos zur Veranstaltungsreihe und dem Organisationsteam: https://ethics.dsi.uzh.ch/project/apero-digital/
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